Alles, was du über No Code Prototyping und Entwicklung wissen musst

Jonas Bärtsch
April 28, 2021
Prototyping ist eine der wichtigsten Fähigkeiten für Design Thinker*innen und Unternehmer*innen.
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Prototyping kann in nahezu jedem Bereich angewandt werden und hilft, deine Idee innert Stunden und Tagen zu verwirklichen statt innert Wochen und Monaten.
Dank No Code, ist die Eintrittshürde kleiner als je zuvor. Eine sehr erfreuliche Entwicklung denn es öffnet Türen für all jene, denen bis anhin wegen technischer Barrieren der Zugang fehlte.
Nachfolgend führen wir ein ins Thema No Code Prototyping. Wir erklären, was No Code Prototyping genau bedeutet und weshalb dieses Thema so wichtig ist. Zudem verraten wir, wie du mit No Code Prototyping starten kannst und welche Tools wir dabei gerne verwenden.

Was ist No Code und weshalb ist es eine wichtige Entwicklung?

"Es sind nicht nur Programmierer, die etwas Nützliches im Internet bauen können" — Ryan Hoover, Product Hunt
 
 
Ein No Code Tool, auch No-Code Development Plattform (NCDPs) genannt, hilft bei der Erstellung von Prototypen und Software ohne Programmierung; eine beliebte und vielversprechende Alternative zur traditionellen Softwareentwicklung für nicht-technische Anwender*innen, die ihre eigenen Prototypen, Websites und Apps entwickeln möchten.
Wenn du ein kleines Team oder Unternehmen bist, dem das Budget fehlt, um Softwareentwickler*innen einzustellen oder um Arbeiten an ein Softwareentwicklungsunternehmen  auszulagern, dann ermöglichen dir No Code Tools, Innovationen in eigener Regie und Geschwindigkeit voranzutreiben.
Zur Illustration: die digitale Transformation deiner Dateneingabeprozesse
Manuelle Dateneingabe ist für jedes Unternehmen problematisch. Fehler sind menschlich - und Programme wie Excel können unnötig kompliziert sein, was oft weitere Fehler verursacht. Mit einem No Code Tool kannst du schnell eine neue Software entwickeln, um deine Daten zu speichern und zu nutzen. Solange deine Anforderungen überschaubar sind, ist der No Code Weg ideal, um kurzfristig einen Prototyp und sogar eine einsatzfähige Anwendung zu entwickeln.
Indem du die manuelle Dateneingabe durch Automatisierung beschleunigst, kannst du die Gesamteffizienz und Produktivität deines Teams selbst verbessern und dein Team befähigen, die agile Weiterentwicklung der Tools voranzutreiben.

Wie ist No Code entstanden?

No Code ist nicht neu. Die Entstehung von No Code ist mit der Entstehung der ersten Tabellenprogramm gleichzusetzen. Spreadsheet Programme (wie Excel und Google Sheets) ermöglichten es, ohne Programmier-Kenntnisse komplexe Berechnungen und somit wiederverwertbare Programmierung mit dem Computer zu machen.
Anfangs der 2000-er-Jahre entsteht das Fundament für eine neue Kategorie No Code Tools, schon eher verwandt mit dem, was wir heute unter No Code verstehen.
Die bekanntesten Beispiele sind der E-Commerce Gigant Shopify und WordPress, das nach wie vor nicht aus der CMS-Landschaft wegzudenken ist.

Shopify

Der Gründer Tobias Lütke versucht, mit bestehender Software einen E-Commerce Snowboard-Shop zu gründen. Frustriert über die verfügbare Software, schreibt er in 2 Monaten den Code für Shopify und launcht daraus 2006 die Plattform Shopify. Heute ist Shopify börsennotiert und an der Spitze dieser Industrie. Mehr zur Entstehung von Shopify findest du hier:
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WordPress, bekannt für seine 5-Minuten-Installation, ist das grösste Content-Management-System weltweit. 2020 laufen 37,5 % aller Websites auf WordPress.

Wordpress

Mike Little und Matt Mullenweg entscheiden sich dafür, die Software zu schreiben, nachdem die bestehende CMS Software b2/cafelog nicht weitergeführt wird. 2003 veröffentlichen sie WordPress als Open-source-Software und 2004 entsteht die Plug-in-Architektur, mit der WordPress beliebig erweitert werden kann.
Mehr zur Entstehung von WordPress findest du hier:
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No Code entwickelt sich weiter und 2012 entsteht unter anderem Zapier: Ein Tool, dass es möglich macht, sich neue Anwendungen aus bestehende Anwendungen zu bauen -  komplett ohne Programmierung. Das ist hauptsächlich hilfreich für die Entwicklung von Workflows, die mit der bestehenden Software nicht möglich ist.
Zur Illustration: ein Start-up hat eine Landingpage, erstellt mit einem Anmeldeformular. Alle angemeldeten Personen sollen nun eine Willkommens-E-Mail erhalten und im CRM erfasst werden. Zapier verbindet die Landingpage mit der E-Mail- und mit der CRM-Software, ohne eine Zeile Code.
In der gleichen Periode entstehen die Tools, die am meisten mit dem Begriff No Code in Verbindung gebracht werden. Visuelle Programmier-Tools wie Bubble (für die Entwicklung von komplexeren Web-Anwendungen) und Webflow für die Entwicklung von Websites & Landingpages.

Die wichtigsten Begriffe

Low-Code: Low-Code ist ein visueller Ansatz für die Softwareentwicklung. Low-Code abstrahiert und automatisiert jeden Schritt des Anwendungslebenszyklus, um eine schnelle Bereitstellung einer Vielzahl von Softwarelösungen zu ermöglichen.
No coder: Eine Person, die sich auf die Entwicklung von Software ohne Programmieren spezialisiert hat.
Citizen Developer: Ein Citizen Developer ist eine Person die neue Geschäftsanwendungen für die Nutzung durch andere erstellt. Sie tut dies,  indem sie Entwicklungsumgebungen nutzt, die von der Unternehmens-IT genehmigt wurden.
Integration: Integration bezieht sich auf den Prozess der Kombination von zwei Softwareteilen, um das Problem der isolierten Daten zu lösen. Nehmen wir das Beispiel der Auswertung von Kundendaten aus einem CRM-System: Ohne Integration müssten die Daten zuerst aus dem CRM exportiert werden, damit sie nachher in einem anderen System wie Excel ausgewertet werden können. Mit einer Integration könnten die zwei Systeme Daten oder sogar Funktionen austauschen.
API: API ist die Abkürzung für Application Programming Interface, ein Software-Vermittler, der es zwei Anwendungen ermöglicht, miteinander zu kommunizieren. Jedes Mal, wenn du eine App wie Facebook benutzt, eine Sofortnachricht schickst oder das Wetter auf deinem Telefon abrufst, benutzt du eine API.

Vor- und Nachteile von No Code

Vorteile

Agilität: Durch No Code Prototyping können kurzfristig neue Ideen getestet werden ohne grosse und kostspielige Software-Entwicklung. Das Risiko auf “Sunk Cost Fallacy” wird somit ebenfalls reduziert. Dadurch wird jeweils nicht zu früh in der Entwicklung auf nur eine Lösung fokussiert.
Kostenreduktion: Spezialisierte und hochwertige Software-Entwicklung hat ihren Preis. Sie beinhaltet nicht nur die Planung und Entwicklung, auch der Unterhalt und Weiterentwicklung bringen Kosten mit sich. Bei den No-Code-Tools ist der Unterhalt Verantwortung der Software-Firma. Da diese über eine grosse Menge von Anwender*innen verteilt werden kann (über Abo Kosten), sind die Kosten für die Einzelnen entsprechend gering.
Produktivität: Indem die Entwicklung nicht auf Spezialist*innen reduziert ist, findet eine grössere Gruppe innerhalb eines Teams oder innerhalb einer Organisation den Zugang zur Entwicklung.
Modular und austauschbar: Durch den Einsatz von Tools wie Zapier können grössere Systeme aus einzelnen Systemen zusammengebaut werden. Zum Beispiel Chat, CRM, CMS und Newsletter-Programme. Sollte beispielsweise das CRM ausgetauscht werden, kann dies aufgrund der Modularität mit relativ wenig Aufwand geschehen.

Nachteile

Anforderungen gerecht werden: Komplexe und spezifische Anforderungen können nicht immer mit generischen Tools abgedeckt werden. Gemäss unserer Erfahrung sind die spezifischen Anforderungen jedoch oft generischer als ursprünglich gedacht.
Geistiges Eigentum: Besonders in der Schweiz ist Innovation stark durch patentierbare Lösungen geprägt. Da No Code meist auf Konfiguration basiert, lässt sich die Technologie nur schwer schützen. Im Kontext des Prototypings stellt dies kein Problem dar, solange die Realisierung danach mit eigener Software geschieht.

Beispiele von No Code Apps

Websites

Für diese Kategorie gibt es sehr viele Optionen. Die Kommodifizierung von Web-Entwicklung hat längst stattgefunden und es braucht für die Entwicklung von hochwertigen Websites keine Programmierung mehr. Wo vor einigen Jahren noch Server, Datenbanken, HTML, PHP, Ruby, Javascript und CSS zum Jargon gehörte, kann man für geschätzt 80 % aller Webseiten mit gutem Gewissen darauf verzichten. Webflow, Anima und Editor X gehören ganz oben mit dazu.

Mobile Apps

Auch Mobile Apps können gänzlich ohne Programmierung entwickelt werden. Unsere Favoriten:
  • Bravo: Das Design entsteht in Figma und kann dann direkt für die App verwendet werden. Bravo kann sogar mit externen Daten umgehen und ermöglicht beispielsweise, eine Airtable mit der App zu verknüpfen.
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  • Supernova: Die App befindet sich zurzeit noch in Early Access, das heisst, es muss zuerst ein Zugang angefordert werden. Supernova setzt auf die Vereinfachung im Prozess von Design zu Code.

Web Applications

Web-Anwendungen sind aus unserem Alltag nicht mehr wegzudenken, die Grenzen zwischen Websites und Web-Apps sind kaum mehr zu erkennen. Sobald eine Webseite etwas mehr können muss als Kontaktdaten entgegennehmen, lohnt es sich, folgende Tools anzuschauen.
  • Bubble: ohne Code das nächste Uber, Spotify oder Airbnb werden? Mit Bubble können Web-basierte Anwendungen inkl. Benutzerverwaltung, Zahlung und weitere APIs entwickelt werden. Ohne Code heisst aber nicht gleichzeitig ohne Komplexität, es braucht auch hier Bereitschaft und Geduld, um in die Materie hereinzukommen.
Ein sehr cooles und mächtiges Tool und sehr empfehlenswert für alle, die etwas Grosses vorhaben.
  • Power Apps: Als wir die ersten Power Apps Prototypen entwickelten, war klar, dass dies eine Kategorie für sich ist - mit enormem Potenzial. Unternehmungen und Organisationen, die aufgrund ihrer Vorgaben mit Microsoft arbeiten, können sehr schnell arbeiten mit bekannten Tools und innerhalb einer Anwendung, die grundsätzlich freigegeben ist.
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Backend Tools

Das Backend einer Anwendung ist der Teil, welcher für die primären Nutzer*nnen einer Anwendung nicht sichtbar ist. Typischerweise betrifft dies den Datenzugang. Zwei interessante Tools in dieser Kategorie:
  • Notion: Nicht nur als kollaborativer Workspace ist Notion ganz vorne mit dabei. Als Datenbank und sogar als API Tool ist Notion spitze. Obschon die API noch nicht offiziell ist, kann sie als Hack bereits genutzt werden.
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      Für diejenigen, die geduldiger sind als wir, gibt es für die API bald eine Beta Version: https://www.notion.so/api-beta
  • Airtable: Genau wie Notion bietet dieses Tool die Möglichkeit eines kollaborativen Workspace. Es ist mit zahlreichen Integrationen ausgestattet und funktioniert somit als perfektes No Code Backend für Apps, die eine Datenquelle benötigen.

Wie mit No Code Prototyping Starten?

Nach dieser vielleicht etwas überwältigenden, Auswahl an Möglichkeiten stellt sich nun die Frage: Wo und wie starte ich?
Für uns hat sich folgendes Vorgehen bewährt:

1. Definiere das Problem

Für diese Fragestellung lohnt es sich, möglichst unbefangen Gespräche zu führen mit den Menschen, für die du eine Lösung entwickeln möchtest. Falls du selbst eine Herausforderung hast, die du für dich lösen möchtest, gestaltet sich dieses Gespräch sogar etwas einfacher. Übrigens haben viele erfolgreiche Lösungen als Problem einer einzigen Person begonnen, die zuerst nur für sich selbst eine Lösung entwickelt hat.

2. Definiere die (Minimal-) Lösung

Versuche, mit einfachen Skizzen Lösungsansätze zu entwickeln. Indem zuerst ein übergeordnetes Ziel definiert wird, kann daraus einwandfrei eine Minimalversion dessen gezeichnet und umgesetzt werden. Die Design Sprint Methodik eignet sich perfekt dazu - insbesondere wenn man in einem Team arbeitet.
 

3. Wähle deine Tools

Da nun schon so einiges definiert ist, wird auch die Suche nach dem ‘richtigen’ Tool einfacher. Geht es um eine App, eine Webseite oder vielleicht nur eine Datenbank?
Sobald klar ist, wie die Minimallösung aussieht, kannst du mit der Auswahl der Tools starten. Das richtige Tool gibt es in dem Sinn nicht, denn für jede Situation, jedes Team und jede Person werden unterschiedliche Aspekte anders gewichtet.

4. Experimentiere

Bist du hin- und hergerissen zwischen mehreren Tools? Es lohnt sich, innert eines vordefinierten Zeitrahmens mit verschiedenen Tools zu experimentieren. So kann nicht nur ein geeignetes Tool gefunden werden, es bietet sich auch die Chance für das Sammeln neuer Erfahrungen, die für zukünftige Projekte essenziell sind.

5. Entwickle dein MVP

Du hast deine Problemstellung, einen Lösungsansatz, Skizzen und die richtigen Tools. Nun kann die Entwicklung losgehen. Nimm dir zu Beginn etwas Zeit und schaue dir einige Tutorials an. Die Menge und Qualität guter Tutorials und Dokumentation können übrigens auch einen Grund sein, ein Tool auszuwählen. Wenn du fest steckst, zögere nicht zu lange und kontaktiere den Support, melde dich in einer Community oder suche einen anderen Lösungsansatz.

6. Testen, testen, testen

Ist die grosse Arbeit nun getan? Das Testen und Überprüfen deiner Annahmen ist die eigentliche Arbeit,  denn ohne ein Feedback wirst du nicht wissen, ob deine Ideen in der Realität funktionieren. Teste zuerst selbst alles gut aus und rechne genügend Zeit ein, um kritische Fehler zu beheben. Hier gilt generell das 80-20 Prinzip, der letzte Teil der Entwicklung wird ca. 80 % deiner berechneten Entwicklungszeit beanspruchen.
Rekrutiere ca. 5 Testpersonen und stelle sicher dass du keine hypothetischen Fragestellungen einbringst, wie etwa den Klassiker “Würdest du diese App nutzen?”
 
Wenn der Nutzen deiner No Code Anwendung gegeben ist, wirst du dich vor lauter Anfragen kaum retten können.

Zusammengefasst

Hattest du schon immer den Wunsch, selber eine App oder Webseite zu entwickeln? Falls dich das Programmieren davon abgehalten hat, kannst du das Ganze nun selbst in die Hand nehmen und mit No Code deine Ideen verwirklichen.Es steht dir dank einer grossen Auswahl an genialen Tools endlich nichts mehr im Weg.

No Code Prototyping für dein Nächstes Projekt?

Innoveto begleitet seit 2011 Unternehmen, Teams und Führungskräfte bei der Anwendung von Design Thinking in der Praxis. Wir machen Innovationsprojekte, Workshops, Bootcamps und individuelles Coaching. Wir glauben an die Power des gemeinsamen Austauschs. Wenn du dich über No Code und Prototyping unterhalten möchtest, dann vereinbare gerne ein Gespräch mit uns oder folge uns über LinkedIn.
 

Worauf warten wir noch?

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